Neulich in Tännesberg. Ist das noch entschleunigt? Oder ist das schon schlimm? Das Wirtshaus Lederer hat fröhliche rote Stühle vor die gepflegte Fassade gestellt. Hier sperrt man am Sonntag zwei Stunden zum Frühschoppen und abends auf. Die Scheune hinterm Hof ist geschmackvoll hergerichtet, da wird auf Bestellung gefeiert und immer wieder mal bedeutend aufgespielt, im März war der Keller Steff mit seinem Solo-Programm da, auch im September und im Oktober gibt’s ausgezeichnetes Kabarett. Kommt der Gast jedoch an einem Wochentag, dann fasst ihn ein Grausen. Die Blumenstöckl auf den Fensterbrettern werden von Geisterhand gepflegt, kein Mensch weit und breit. Fündig wird der Liebhaber morbider Motive, aber versuchen Sie nicht, mittags etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Zum Glück gibt es noch die unerschrockene Bäckerei Spickenreither. Dann kaufen wir halt das berühmte Emmerbrot und nehmen zum Mittagessen ein Schwarzbeereis – das ist hausgemacht, zur kühleren Jahreszeit sollen sie hier die allerfeinsten Pralinen herstellen. Ich war noch nie im Herbst/Winter hier – an einem heißen Sommertag hat die Stimmung wenigstens etwas von einem Roadmovie. Wir sind nicht in irgendeinem abgehängten Dorf. Tännesberg ist 1. Biodiversitätsgemeinde Deutschlands, gleich zweimal als UN-Dekadeprojekt ausgezeichnet. Toni Wolf, Vater und Motor der Tännesberger Naturschutzprojekte, hat gerade eine Ehrennadel vom Herrn Umweltstaatsminister erhalten. Jetzt ist Tännesberg Epizentrum eines weiteren Modellprojektes: Der Marktplatz der biologischen Vielfalt hat als Gast ein Büro im Rathaus bezogen und entwickelt sich von hier aus recht dynamisch über ganz Bayern. In Tännesberg soll ein Haus der Artenvielfalt in einen pittoresk vergammelten Bau am Ortsrand einziehen, noch gehört viel Fantasie dazu. Hier finden bedeutende Dinge statt. Warum schafft das Tun es nicht in den Alltag des Ortes, warum fasst hier so gar nichts Positives an, warum gibt es den Naturschutz und seine Produkte nicht im Straßenbild? Warum muss das hier so unglaublich trübsinnig sein? Natürlich sind die arbeitenden Menschen werktags beschäftigt, während wir frustriert flanieren – aber es gibt doch Möglichkeiten, frohe Fahne im Ortsbild zu zeigen. Stattdessen muffig die Rollos runter, die Häuser schauen griesgrämig, hier ist alles wurscht. Das ist nicht nur Tännesberg. Ich kann mich an Waldthurn erinnern, gute Pläne, sympathischer Bürgermeister von unerschütterlich optimistischer Statur, immerhin haben sie jetzt wieder einen Bürgerladen mit regionalen Produkten aufgemacht und ich habe gehört, dass es einen mobilen Optikermeister geben soll. Ein Bürgermeister allein kann das nicht stemmen so lange Bürger ihren Lokalpatriotismus vergammeln lassen. Oder Schönsee. Trefflich dargestellt in der absurd-hinreißenden Doku Serie „Früher oder später“ (in der BR Mediathek). Staatlich anerkannter Erholungsort. Dass ich nicht lache, hier muss man schon bei der Durchfahrt seelisch gesund sein angesichts des Straßenbilds. Dann biegen wir um die Ecke und werden kalt geduscht von der Architekturschönheit des Centrum Bavaria Bohemia im ehemaligen Kommunbräuhaus. Dabei fällt uns Eslarn ein. Auch hier ein tapferer Bürgermeister. Er setzt sich mit dem Kommunbrauhaus für den Genussfaktor seines Ortes ein, an den Hausbesitzern in Eslarn geht das spurlos vorüber. Das Zoigl ist große Klasse. Und die Störche sind wiedergekommen.