Ich habe lieber Dinge zum Beißen. Der Empfehlung folge ich trotzdem, wir sind schließlich der Neugier verpflichtet. Steinpilze wann wenn nicht jetzt und es ist zudem meine erste praktische Begegnung mit der Küche vom Winkler Bräu – in Person, Georg Böhm steht selbst in der Küche. Das ist nicht so häufig bei einem so ausgewachsenen Betrieb: Brauerei, Hotel und ein „Bräustüberl“ das seinem Namen entgegen aus fünf historischen und sechs modernen Stuben besteht. Es ist Mittag, noch liegt Weg vor uns, keine Muße für ein ganzes Menü. In einem solchen Fall gibt es nichts Besseres als eine Suppe. Die Essenz der Gesinnung sozusagen, ob man einem Conveniencebetrieb in die Hände gefallen ist oder bei Leuten speist, die sich Mühe geben. Ein industrielles Hilfpackerl schmeckt man auf den ersten Löffel, einen missfallenden Grundgeschmack zu hübschen, kann nicht gelingen. Eine Ausnahme bildet vielleicht das moderne Zitronengras, mit dem es häufig gelingt, den Gästen die Zähen zu putzen und sie so von jedem anderen Geschmackseindruck zu befreien. Aber wir befinden uns in einem Gasthaus, das sich den regionalen Erzeugnissen verpflichtet hat. Slow Food honorierte das mit der Aufnahme in den Genussführer. Leberwurst-Töpferl, Juradistl-Lamm, Wild aus der eigenen Jagd, natürlich Schwammerl jetzt im hohen Sommer. Nehmen Sie Steinpilzessenz mit Grießnockerl! Das ist jetzt natürlich die höhere Schule der Suppe, das Herz ist dennoch eine gute Brühe – egal ob vom Fleisch oder vom Gemüse – darüber kann auch ein aromatischer Schwammerl nicht hinweglügen. Und: Grießnockerl. Wer schon einmal auf die Zutatenliste eines Fertigproduktes, wenn auch aus einer ehemals handwerklichen Familie, schaut, wird arg traurig: Palmöl, Milchzucker, Eiweißpulver, Eigelbpulver und was meinen sie mit: Gewürz? In der Metro schleppen Wirte die gleiche mistige Zusammensetzung als TK-Produkt davon. „Sparen Sie sich die aufwändige Selbstherstellung der Grieß Nockerl!“ appelliert die Industrie an die Gastronomen. Dann sparen Sie sich am besten auch gleich, ein Gasthaus zu betreiben. Die Gäste lassen sich nicht täuschen. Das Gute ist, dass hausgemachte handgemachte Nockerl sich in Geschmack und Konsistenz ganz klar abheben – nicht anders als beim Knödel. So ein wahres Grießnockerl ist flaumig, fluffig, hat aber auch einen zarten Biss, es ist ein klein wenig butterig aber auch ganz leicht. Zwei solcher Gaumenfreuden schwimmen im konzentrierten Aroma des Waldes, dunkler Bernstein ohne Schnickschnack. In dieser Suppe können wir die Zukunft lesen: Und da teilen den kulinarischen Pessimismus nicht, immer mehr Wirte finden ihre Zufriedenheit in guter Küche. Ich meine: Wirte! In Wirtshäusern. Totgesagt gibt es sie doch und sie halten durch. In der Herbstausgabe des Roten Ochsen schreibt Susi Stangl über d’Weiberwirtschaft in Kalsing und was sie trägt und was sie antreibt. Ein paar Seiten weiter waren wir wieder mal bei Johann Pilz in der Waldwirtschaft Steinsberg. Beides unprätentiöse Dorfgasthäuser, bei Pilz stammen die Fensterstores sogar noch aus der Geschmackswelt der Fünfziger. Was zählt, ist die Küche. Höhenflüge genießen wir auch, aber halten wir der Suppe den Löffel. Bei Johann Pilz steht eine hausgemachte Rinderbrühe mit Pfannkuchen auf der Karte. Bei Susi Stangl steht die Suppe auf dem Holzherd. Beim Winkler Bräu ist alles viel größer und moderner. Aber noch einmal: In der Suppe ist der Geist des Wirtes.